Wir sitzen jetzt seit 5 Tagen in Cusco auf dem Quinta Lala Campground und ich muss eine veritable Erkältung auskurieren, die ich mir leichtsinnigerweise eingefangen habe. Am 2. und 3. Tag unseres Aufenthalts hat sich der Campingplatz komplett gefüllt, unter den Neuankömmlingen sind auch einige Fahrzeuge, die aus Bolivien „geflohen“ sind. „Südamerika brennt“ hieß ein Artikel, den ich dieser Tage gelesen habe.
Tote bei den Protesten in Ecuador, Bolivien und in Chile, während in Argentinien wieder mal die Staatspleite droht. Die Schilderungen der Overlander hier lassen keinen Zweifel daran, dass man aktuell nicht nach Bolivien reisen sollte, bzw. auch gar nicht kann. Allerdings sind auch in Chile inzwischen 20 Menschen bei den Protesten (hier aus einem scheinbar lächerlichen Anlass) getötet worden und Argentinien konnte unlängst fällige Schulden nicht mehr begleichen. Das alles ist furchtbar für die einzelnen Länder und zeigt u.a., dass eine große soziale Unzufriedenheit herrscht und selbst als stabil geltende Länder jederzeit zu einem Pulverfass werden können. Wir stehen vor der Frage, wie angesichts der aktuellen Entwicklungen unsere Reise weitergehen kann? Wir werden die nächsten Tage abwarten, aber es zeichnet sich ab, dass wir Bolivien erst einmal meiden werden.
Nachdem ich endlich meine Erkältung überwunden habe, besuchen wir zuerst die Inca-Ruinen von Sacsayhuaman, keine 300m vom Campground entfernt. Die gezackten, dreistufigen Außenwände gehören für mich zu den beeindruckendsten Hinterlassenschaften der Inkas. Es ist schlicht nicht vorstellbar, wie die teils riesigen Steine der untersten Wandstufe ohne Rad und Flaschenzug über mehrere KM hierher transportiert und so genau bearbeitet werden konnten. In der etwa 70-jährigen Bauzeit Mitte des 15. Jhds sollen hier bis zu 20.000 Menschen gearbeitet haben. Man stelle sich das Selbstverständnis eines Inca-Herrschers vor, der solch ein Bauwerk beauftragt.
Abends gehen wir auch mal hinunter in die wunderschöne Altstadt von Cusco, essen gut und gehen danach noch in eine Veranstaltung mit traditionellen Tänzen. Beim Anblick der Vorführungen werden Erinnerungen an Perchten und Schuhplattln in mir wach.
Nach 10 durchwachsenen Tagen (es regnet viel) auf dem Campground geht es endlich weiter. Da wir sehr schöne Erinnerungen an Machu Picchu aus unserer Jugend haben, werden wir uns diesmal den Rummel dort schenken und möchten verschiedene Sehenswürdigkeiten im heiligen Urubamba-Tal besuchen, die wir noch nicht kennen. Schon die Fahrt dorthin ist sehr reizvoll, hier herrscht überall Landwirtschaft vor. Morgens ziehen die Hirten mit ihren kleinen Schafherden aus den Dörfern hinaus und die Felder werden immer noch mit Ochsen oder Kühen gepflügt. Erste Station wird Moray auf etwa 3.500m, wo wir auf dem Parkplatz übernachten und gleich am nächsten Morgen die Ruinen besuchen. Moray besteht aus drei Geländevertiefungen, in die konzentrische kreisförmige Terrassen gebaut wurden. Um den Zweck dieser Anlage ranken sich verschiedene Theorien. Lage und Ausrichtung zu Sonne und Wind führen jedoch in den Vertiefungen zu Temperaturunterschieden von 15 Grad zwischen oberem Rand und Grund!
Die regelmäßigen geometrischen Figuren sind darüberhinaus sehr ungewöhnlich.
Weiter geht es zu den Salinen vom Maras. Hier klammern sich an die 3.000 künstlich angelegte terrassenförmige Becken an die steilen Hänge der Cordillera Urubamba. Sie wurden bereits von den Inka zur Salzgewinnung angelegt und zählen heute noch zu einer wichtigen Lebensgrundlage der regionalen Bevölkerung, von der jede Familie zwischen fünf und zehn Becken bewirtschaftet. Ein echter „Wow“-Anblick.
Danach erreichen wir die Inka-Stadt Ollantaytambo. Die Festung oben am Hang, mit den vielen angelegten Terrassen, mit den beim unvollendeten Sonnentempel verbauten riesigen Monolithen, mit vielen Brunnen, sowie die hoch in steile Felswände gebauten Speicher lassen uns wieder einmal staunen. Der hübsche, heute sehr touristische Ort selbst, der ebenfalls aus der Inkazeit stammt, ist seit seiner Gründung durchgehend bis heute bewohnt.
Am späten Nachmittag fahren wir noch weiter bis kurz vor unsere letzte Station im Heiligen Tal, die Ruinen von Pisaq. Wir essen eine vorzügliche Forelle im Royal Inca Hotel und dürfen dafür auf deren Parkplatz übernachten.
Pisaq gefällt uns sehr gut, die Anlage ist sehr weitläufig, mit mehreren Ansiedlungen, mit vielen Terrassen, einer Brunnen-Anlage und einer Felswand, in die viele kleine Begräbnisstätten gebaut wurden.
Nächstes Ziel sind die bekannten Rainbow Mountains. Wir übernachten unterwegs auf der Hacienda Colonial Murillo. In diesem alten Anwesen lebt Luis und etwa 15 junge Leute, die hier für Kost und Logis arbeiten. Am nächsten Tag fahren wir durch ein Hochtal mit Lamas und Alpacas hinauf zum Parkplatz auf 4.800m und wandern dann noch etwa 45 Minuten zum Aussichtspunkt. Es ist bewölkt, beim Aufstieg donnert es um uns rum und während wir noch laufen fängt es an zu graupeln. Der Anblick der Rainbow Mountains ist also eher enttäuschend, die farbigen Flanken bleiben blass, teilweise schneebedeckt und Sonne gibt es auch keine.
Als wir zum Auto zurückkommen, ist das Hochtal bereits weiß und auf der Motorhaube hat sich Schnee angesammelt.
Also nichts wie weg.
Nachdem dieser Besuch eher enttäuschend war, möchten wir den Three Rainbow Mountains von Palccoyo gleich nebenan noch eine Chance geben. Wir fahren vor Combapata von der Hauptstraße ab und in ein schönes Tal, immer an einem Fluss lang. Auf etwa halber Strecke übernachten wir am Straßenrand direkt neben einem roten Fluss, dessen Farbe absolut unnatürlich aussieht, aber absolut natürlich ist. Nach einer ruhigen Nacht fahren wir von unserem Schlafplatz auf 3.800m hoch in ein wunderschönes, weites Tal auf 4.500m mit mehreren Ansiedlungen und tausenden von Lamas und Alpacas und weiter hinauf, wieder auf über 4.800m zum Parkplatz. Wir haben Glück, der Himmel ist teilweise blau und unsere Chancen für ein besseres Erlebnis als gestern stehen nicht schlecht. Es sind auch schon ein paar kleine Busse mit Wanderern aus Cusco angekommen und so brauchen wir ihnen nur zu folgen. Wir wandern bis auf 5.000m hinauf zu mehreren Aussichtspunkten und heute haben wir tatsächlich mehr Glück. Die farbigen Berge sind eine verrückte Laune der Natur und wir sind von deren Anblick begeistert und beglückwünschen uns zu diesem zweiten Versuch. Ich laufe noch zu einem kleinen Gipfel hinauf und treffe oben auf ein paar junge Kemptener, die einen gebuchten Tagesausflug von Cusco hierher machen. Die Welt ist klein.
Auf unserem Weg zurück genießen wir nochmal ganz bewusst die Fahrt durch das Hochtal, das aus einem Fantasyfilm stammen könnte. Die Bergflanken sind voller natürlicher (?) Terrassen, die Farben Rot und Grün bilden wunderschöne Kombinationen, die Seitenwände der Strasse sind in verrückten Farben gestreift, es wimmelt von Lamas und Alpacas und das ganze wird garniert von dem roten Fluss, an dem wir bereits übernachtet haben. Ein kleines Wunder.
Auf dem Weg von mehr als 300km zum Colca Canyon wollen wir noch an der Grass-Brücke von Queswachaka vorbeischauen. Unterwegs kommen wir auf 4.000m in ein schweres Gewitter, rings um uns schlagen Blitze ein, irgendwann ist die Umgebung weiß und es liegt sogar etwas Schnee auf der Strasse.
Wir fühlen uns in unserer Entscheidung, nicht mehr zum Titicacasee zu fahren, bestätigt. Auch dort waren wir schon mal und das Wetter dort soll kalt und regnerisch sein. Zum Dann geht es einen Pass hinunter zum Fluss und zur Brücke. Kurz vor der Brücke bleiben wir am Straßenrand zum Übernachten stehen. Die Brücke, die buchstäblich aus Gras besteht, wird jährlich erneuert. Dabei muss jede der teilnehmenden Anwohnerfamilien 60m „Seil“ herstellen. Die Brücke macht einen sehr vertrauenswürdigen Eindruck, denn die 6 Tragseile sind jeweils mehr als armdick. Isidoro, der uns die Tickets verkauft, zeigt uns auch, wie die Seile aus Gras hergestellt werden. Die Technik ist simpel und die Festigkeit verblüffend.
Nach der Brückenbesichtigung (danke für den Tip, Susi!) geht es weiter Richtung Colca Canyon. Am Nachmittag fahren wir über einen letzten Pass mit 4.800m. Während dieser zwei Stunden treffen wir kein einziges Auto. Hinter dem Pass geht es hinunter Richtung Chivay, dem Ort am Eingang des Canyons. Wieder bleiben wir irgendwo am Strassenrand stehen um zu übernachten.
In Chivay ist der Zentralplatz abgeriegelt, die örtliche Schule feiert ein Jubiläum. Es gibt eine Blaskapelle und eine Bühne, auf der wichtige Leute eine Ansprache halten. Die Schulkinder in schicken Uniformen sind rund um den Platz drapiert. Während der Ansprachen haben sie ihren Spaß, wahrscheinlich auch weil heute die Schule ausfällt.
Wir fahren weiter in den Colca Canyon, der als bewirtschaftetes Tal beginnt und der mit einer größten Tiefe von über 3.000m lange als tiefste Schlucht der Erde galt. Inzwischen hat man hier irgendwo in der Gegend ein Tal gefunden, das wohl noch 150m tiefer ist. Wir fahren zu einigen Aussichtspunkten, von wo aus man mit etwas Glück Kondore sehen kann, und die Schlucht ist hier wirklich gewaltig.
Und tatsächlich sehen wir eine handvoll der riesigen Vögel ganz ruhig im starken Wind segeln.
Es ist uns ein Rätsel, wie diese Vögel hier in einem von Landwirtschaft geprägten Gebiet überleben können. Wir entdecken einen kleinen Feldweg, der versteckt hinter einem Hügel direkt zum Schluchtrand führt und wir beschließen, dort unsere nächste Nacht zu verbringen. Als wir den Weg jedoch hinunterfahren, löst sich das zuvor genannte Rätsel auf. An diesem kleinen Weg entlang liegen die Überreste von sicher einem halben Dutzend toter Kühe oder Pferde, sowie einige Knochenhaufen. Das Ganze sieht gruselig aus und es riecht unangenehm. Offensichtlich werden die Kondore hier gefüttert. Aber hier Übernachten, nein danke! Wir übernachten lieber einige hundert Meter entfernt auf einem alten, verwilderten Parkplatz.
Am nächsten Morgen laufen wir zu zwei Kondor-Aussichtspunkten und warten, ob sich irgendwelche dieser häßlichen Gesellen in die Lüfte aufschwingen. Auf unseren Aussichtspunkten ist praktisch nichts los, während ein paar hundert Meter weiter etwa 20 Busse stehen, deren Fahrgäste sich an den dortigen Aussichtspunkten gegenseitig auf den Füßen stehen.
Leider kommen keine Kondore, die haben wohl heute keine Lust. All die Leute an den Aussichtspunkten haben mit Zitronen gehandelt. Dafür sehen wir einige der Riesenkolibris, die es nur hier gibt.
Wir wollen nicht länger warten und fahren weiter Richtung Arequipa. Wir schrauben uns wieder mal hinauf auf fast 4.900m und fahren dann auf einer Hochebene bis wir den Abzweig zu den Höhlenmalereien von Sumbay entdecken. Sumbay ist, bis auf einen kleinen Rangierbahnhof, eine kleine Geisterstadt, nur der Wächter der Höhle harrt dort aus. Als wir gegen fünf die Schranke erreichen, kommt er auch sofort gelaufen und gibt uns, nachdem wir das Ticket in Höhe von knapp drei Euro bezahlt haben, den Schlüssel für die Höhle und öffnet dann die Schranke. Wir fahren die drei km bis zum Parkplatz und müssen dann noch etwa 5 Minuten bis in eine kleine Schlucht laufen. Dort stolpern wir zunächst über ein Chinchilla und stehen dann vor den Gittern der kleinen Höhle. Nachdem wir aufgesperrt haben können wir die auf 8.000 Jahre datierten Tierfiguren anschauen. Schon erstaunlich, dass wir uns hier ohne Aufpasser bewegen dürfen. Zurück an der Schranke geben wir den Schlüssel zurück und bleiben dann gleich für die Nacht stehen. Obwohl auf 4.100m schlafen wir gut.
Nach Arequipa haben wir noch etwa 80km, eigentlich ein Katzensprung. Aber etwa 20km vor unserem Ziel geraten wir an diesem herrlichen Sonntagmorgen (!) erst in eine LKW-Schlange hinter einem sehr langsamen LKW und dann in einen Verkehrsstau, der sich gewaschen hat.
Gegen Mittag erreichen wir endlich das Hostal Mercedes, wo wir gerade noch einen Platz im Hof bekommen, denn es stehen schon etwa 10 Overlanderfahrzeuge hier. Die Probleme in Bolivien und Chile lassen grüßen. Wir stehen neben Kirsten und Helen, die schon seit Jahren durch Südamerika reisen und von denen wir gute Tips bekommen. Die Sonne scheint, es hat 25 Grad und wir sind nur noch auf 2.400m. Wunderbar.
Wir verbringen 4 schöne Tage in Arequipa, in denen wir: neue Reifen kaufen, mit eigenem Guide das bekannte Kloster Santa Katharina ansehen,
zusammen mit Kirstin und Helen die gebuchte Sillar Tour (Mirador, Steinbruch, „Slot-Canyon“) mitmachen,
in der hübschen, abends beleuchteten Altstadt bummeln und am letzten Abend auf einer Dachterrasse Essen gehen.
Nach zwei Nächten auf dem proppenvollen Platz wird es plötzlich ziemlich leer, fast alle Fahrzeuge fahren weiter, überwiegend nach Norden. Einige Stunden sind wir allein auf dem Hof des Hostals.
Uns zieht es weiter und so fahren wir von Arequipa hinunter nach Ilo ans Meer und von dort 40km an der Küste entlang, wo wir an einem felsigen Strand übernachten.
Es ist bewölkt, das Meer wirft dicken Schaum ans Ufer, die Stimmung ist eher düster. Monika entdeckt ein nicht identifizierbares Ungeheuer in einer Felsspalte am Strand, überall liegen Knochen herum. So ziehen wir uns lieber ins Auto zurück. Am Morgen sehen wir, dass es nur wenige Meter weiter eine Freizeitanlage gibt, die allerdings verlassen ist.
Danach kommen vom Meer abgetrennte Lagunen, in denen sich hunderte von Enten, Blesshühnern und Flamingos tummeln. Wir fahren die restlichen 120km zur Grenze nach Chile, der Übergang ist sehr gut organisiert (alle notwendigen Anlaufstellen für Aus- und Einreise sind im gleichen Gebäude!), die Leute sind freundlich und so kommen wir ohne großen Stress durch das Prozedere und fahren dann hinüber nach Chile, wo plötzlich die Sonne scheint.
Fazit: zu Peru sind unsere Meinungen uneinheitlich. OK, Peru ist ein sehr armes Land, die ganze Vermüllung, speziell entlang der Küste, tut irgendwie weh und die Peruaner legen scheinbar keinen großen Wert auf das Aussehen ihrer Häuser, was zu unattraktiven Siedlungen führt. Das Wetter hat es, nun ja, Beginn der Regenzeit, nicht wirklich gut gemeint mit uns. Das Rätsel der teils großflächigen Bebauung leerer Landstriche mit winzigen, verlassenen Häuschen konnten wir auch nicht klären. Aber wir haben, auch ohne Machu Picchu, viele landschaftliche Highlights gesehen, die alten, touristischen Kolonialstädte sind sehr schön und die von uns besuchten Ruinen sind beeindruckend. Diese Erinnerungen werden letztlich überwiegen.
Auch von mir, schön das ihr heil weiter gekommen seit. Das Wetter war ja nicht so toll, sieht man auf den Fotos. Moni friert bestimmt.
Passt weiterhin auf euch auf.
Unser Flug nach Mexiko geht am 11.2.2020. Dann geht es wieder Richtung USA und im Spätsommer ab Halifax nach Hause.
Näheres später
Frank
Ja, schön , wieder mal was von euch zu hören .
Man kriegt ja doch so einiges ( in den Nachrichten ) mit, was grad so do dunda los isch.
Danke für den schönen Bericht!
P.S Irgendwie erinnert mich Georg auf manchen Fotos an Indiana Jones ?.
Ich wünsch euch weiterhin eine ganz besonders schöne Reise und habt’s einfach gut.
Liebe Grüße aus Tyrol
Chips
Chivito Sandwich in Uruguay!
toll euch wieder online zu haben !
Hallo ihr beiden,
Schön das man abseits der ausgetretenen Touristenpfade immer noch tolle Orte finden kann. Schade mit den ganzen Unruhen. Wir hoffen ihr könnt eure Reise zu Ende fahren.
felice navidad y un próspero año nuevo
Tini und Thomas