El Calafate, ein durch und durch touristischen Städtchen, ist der Ausgangspunkt zum wohl berühmtesten Gletscher in Patagonien, dem Perito Moreno im Parque Glaciares. Wir machen es uns auf dem Cabanas Calafate Campground gemütlich (das Schild an dessen Eingang sagt: „besetzt“, doch der Campground ist praktisch leer).
Hier treffen wir Steffi und Axel aus München mit ihrem betagten Landrover wieder, die wir in Puerto Natales quasi „en passant“ kennengelernt hatten und haben zusammen einen kurzweiligen Abend. Die Tatsache, dass unsere Route nach Norden von fast allen Reisenden genommen wird, sorgt dafür, dass wir immer wieder auf bekannte Reisende treffen. Hier stehen wir noch zwei Tage mit Otto und Anette. Eine angenehme Abwechslung zu den vielen meist einsamen Monaten zuvor.
Nach vier Nächten wollen wir morgens um 7:00 zum Gletscher aufbrechen. Leider streikt die Batterie und der Anlasser des Toyota macht keinen mucks. Verdammt! Wie ich sowas hasse! Glück im Unglück ist, dass ich schon in Ecuador meine Fremdstartkabel habe verlängern lassen. So kann ich mir über die Kabinenbatterie selbst Fremdstarthilfe geben, was erstaunlich gut funktioniert. Aber es ist zu vermuten, dass die Batterie, obwohl erst einige Monate alt, ihr Leben aushaucht. Mit Verspätung geht es los, aber wir sind immer noch so zeitig, dass wir direkt am Eingang zu den Laufstegen parken können. Es ist noch ziemlich ruhig, die Busse kommen erst gegen Zehn.
Der Perito Moreno Gletscher: berühmt und entsprechend viel besucht. Aber ist der Besuch wirklich lohnend? Definitiv!
Der Gletscher gehört zum großen patagonischen Eisfeld mit seinen 370 km Länge. Er ist einer der 48 Hauptgletscher, wobei es noch etwa 100 Nebengletscher gibt. Seine Fläche beträgt über 200 qkm, an der Abbruchstelle ist die Eiswand bis zu 70 m hoch. Wir gehen zwei Stunden lang über die verschiedenen Laufstege von einer Aussichtsplattform zur anderen und gucken und gucken, horchen und horchen. Über die vielen Wege kommt man ziemlich nahe an den Gletscher heran. Ständig knackt das weiß-blaue Eis oder es kracht so laut wie ein nahendes Gewitter. Morgens spielt die Sonne noch Verstecken, insgesamt haben wir Glück mit dem Wetter. Außerdem können wir den Abbruch eines großen Eisturmes quasi in Zeitlupe live verfolgen und sind vom Anblick der breiten Gletscherzunge schwer beeindruckt. Als wir uns endlich losreißen können sind wir uns einig: der schönste Gletscher, den wir gesehen haben.
Wie befürchtet springt der Toyota auch am Gletscherparkplatz und später in El Calafate nicht an und ich bin letztlich gezwungen, eine neue Batterie zu kaufen. Wir fahren noch ein Stück weiter um den Lago Argentino in Richtung El Chalten und übernachten an einem herrlichen, einsamen Platz direkt am Ufer des Sees.
Weiter geht es am nächsten Morgen, zunächst mit Rückenwind, später mit strammem Gegenwind sowie dem wettertechnischen Eindruck, dass wir schnurstracks auf den Weltuntergang zusteuern, nach El Chalten, einer Treckinghochburg im Süden von Argentinien. Mitten im Regensturm fahren wir an einem Radfahrer vorbei, der am Straßenrand steht. Sein vollgepacktes Fahrrad steht an einen Pfahl gelehnt. Der Radler blickt mit hängenden Schultern auf seinen Drahtesel hinunter und scheint zu überlegen, in welches der beiden Räder er zuerst treten soll, bevor er den Bock schließlich anzündet. Radeln in Patagonien eben …
Das beschauliche, kleine El Chalten wurde erst 1985 gegründet und existiert praktisch nur für den Wandertourismus. Vor dem Ortseingang, gegenüber einer Touristeninfo gibt es einen Parkplatz, auf dem die Overlander über Nacht stehen dürfen. 20 bis 30 Fahrzeuge stehen hier aktuell jede Nacht. Wir treffen einige Bekannte wieder, unter anderem Suly, die kleine, stets gut gelaunte Frau aus Malaysia, die es mit ihrem Motorrad inzwischen auch bis hierher geschafft hat. Sie ist eine echte Abenteurerin und auf eine positive Art sicher ein wenig verrückt. Vermutlich muss man das auch sein, wenn man als junge Frau und Moslemin in Malaysia lebt, davon träumt, mit einem Motorrad durch Südamerika zu fahren und diesen Traum dann tatsächlich auch realisiert. Chapeau, Suly!
Am
Abend kommen wir mit Fernandez und seiner Frau ins Gespräch (was ein
wenig hochtrabend ist angesichts der Tatsache, dass das Ganze auf
Spanisch stattfindet), die, aus Brasilien kommend, mit einem 11m
Luxuscamper ebenfalls hier auf dem Platz stehen. Sie sehen sich
unsere Kabine an und danach dürfen wir ihre fahrende Wohnung
besichtigen. Der Unterschied ist voll krass. Im Laufe der
Unterhaltung machen sie uns Brasilien als Reiseziel schmackhaft und
laden uns spontan ein, sie irgendwann in Brasilien zu besuchen. Echt
nette Leute.
Unser Parkplatz ist wie ein Erlebnispark. Über uns
kreisen immer wieder mal Kondore, direkt neben unserem Auto lebt ein
Gürteltier, das abends seine Runden dreht und sich nicht um
Zaungäste kümmert. Ebenfalls dreht abends immer eine Horde kleiner
Papageien mit lautem Geschrei seine Kreise.
In der Nacht frischt der Wind auf und rüttelt immer wieder wie ein riesiger Gorilla an unserer Kabine, wieder einmal fürchte ich um unsere Dachhauben. Am Morgen eröffnet mir Monika, dass sie „wild entschlossen“ sei, hier exzessiv zu wandern. Ich muss also wohl oder übel zunächst zu zwei kleinen Miradors gleich ums Eck mitlaufen, wo der Wind große Anstrengungen unternimmt, uns wie lästiges Laub von den Aussichtspunkten wegzufegen. Diese brachialen Böen sind eine Erfahrung ganz eigener Art. Leider sind die Ausblicke eher bescheiden, denn es ist stark bewölkt.
Danach sollen in den nächsten Tagen noch zwei größere Wanderungen hinauf und näher zu den Traumbergen Cerro Torre und Fitz Roy folgen. Zunächst aber folgt ein Regentag, der unsere Wanderpläne durchkreuzt. Otto und Klaus verlieren die Nerven und reisen ab. Wir harren aus und hoffen auf besseres Wetter.
Der nächste Tag beginnt kalt, aber trocken und mit teilweise blauem Himmel. So machen wir uns auf den Weg zur Laguna Torre, von der aus man mit Glück einen guten Blick auf den Cerro Torre (3128m) hat. Wir wandern vom Campground die 10km zur Laguna Torre in der abgebrochene Eisstücke des Grande Gletschers treiben, der im See endet. Die Berge hüllen sich leider in Wolken. Keine Ahnung, wo dieser verdammte Cerro Torre überhaupt ist.
Vom See aus laufen wir nochmal 2 km hinauf zum Mirador Maestri. Und als wir auf der Gletschermuräne laufen sehe ich plötzlich eine kleine Spitze über den Wolken. Das muss er sein! Bis wir oben ankommen, kann man die linke Kante des Berges bis zur Spitze sehen, der Anblick ist einfach der Hammer!
Die Dramaturgie hätte man sich nicht besser ausdenken können. Wir sitzen lange oben, der Berg wird immer wieder von Wolken verhüllt, aber bis wir auf dem Rückweg an der Lagune sind, steht der „Schrei aus Stein“ wie er in Werner Herzogs Film genannt wird, majestätisch da. Wörter wie „abweisend“ sind vermutlich für Berge wie diesen erfunden worden. Für mich auf jeden Fall einer der schönsten Berge der Welt.
Im Laufe des Tages wird es sogar wolkenlos und so können wir die Berggruppe auf dem ganzen Rückweg sehen und sogar abends von unserem Parkplatz aus. Ich schätze, das kommt nicht oft vor und wir sind total happy. Nach dieser Wanderung von etwa 24km sind wir rechtschaffen müde.
Der nächste Morgen präsentiert sich wolkenlos und kalt. Wir fahren zum Startpunkt der Wanderung zum Tres Lagos Mirador unterhalb des Fitz Roy und brechen früh auf, um nicht in die großen Pulks zu geraten. Der Weg geht durch wellige Berge, vorbei an Seen und Bächen, durch niedrige Wälder und Mooslandschaften, die von grün über gelb bis dunkelrot blühen. Im Hintergrund sehen wir immer das Massiv der Fitz Roy Gruppe. Am Ende geht es nochmal steil bergauf zum Rand einer Gletschermoräne und nach vier Stunden erreichen wir nach 10km und knapp 1.000 Höhenmetern unser Ziel. Der Fitz Roy (mit 3.406m der höchste Berg in diesem Gebiet) und seine Nebengipfel stehen eindrucksvoll vor uns, wir sehen Gletscher und Hängegletscher. Das Panorama ist schlicht großartig.
Nach
einer Pause an einem der Seen kommen die großen Wandergruppen und es
wird voll. So machen wir uns auf den Rückweg, was gar nicht so
einfach ist, auf dem steilen, schmalen Weg bei andauerndem
Gegenverkehr. Monika bekommt einen Rappel und überholt auf dem
schwierigen Weg hinunter mindestens 20 Leute. Fast wie in alten
Tagen… 🙂
Auf den letzten Kilometern treffen wir auf Otto und
Annette, mit denen wir am Abend den Tag bei einem guten Essen
ausklingen lassen. Diese zwei Tage haben uns ein Stück weit mit
Patagonien versöhnt. Sie hätten, speziell nach wochenlangem
Schmudelwetter, schöner nicht sein können.
Weiter soll es nach Norden zum Lago Buenos Aires gehen, wo wir wieder auf die chilenische Seite wechseln wollen, um auf der Carretera Austral weiter nach Norden zu fahren. Kurz nach unserer Fahrt aus El Chalten sehen wir weit im Feld etwa 20 (!) Kondore und viele andere Greifvögel versammelt, vermutlich bei einem Aas.
Auf dem weiteren Weg übernachten wir am stark mäandernden Rio Chico, dem die Ruta 40 hier lange folgt.
Wir wollen an den Cuevas de las Manos einen Zwischenstop einlegen und zweigen hierfür mit Otto und Anette, die wir auf der Ruta 40 treffen, auf eine Schotterstraße ab, durch eine Schlucht, hinunter und hinauf 28 km nach Nordosten. Die Malereien in den Höhlen, hauptsächlich linke Hände (daher der Name), wurden zwischen 9.000 und 1.000 Jahren vor unserer Zeitrechnung geschaffen, sind Weltkulturerbe und sehen aus wie die Wände in einem Kindergarten, in dem die Kinder ohne Aufsicht malen durften. Unser Guide erklärt uns das wenige, was man von den hier über viele Jahrtausende (!) lebenden Nomaden weiß bzw. die Forscher sich zusammenreimen.
Nach der Führung fahren wir nicht ganz zurück auf die Ruta 40, sondern übernachten im Caracoles Canyon, den wir auf der Hinfahrt durchquert hatten. Im Canyon bleiben wir an einem herrlichen Stellplatz, den wir uns mit Jay und Cathy Rose, einem Paar aus New York mit seinen zwei kleinen Töchtern teilen.
Abends gibt es noch das volle Outdoorprogramm: schönes Wetter, ein Lagerfeuer am Eingang einer Höhle, Folkmusik von Jay und einen Fast-Vollmond, der den Canyon in sein fahles Licht taucht. Erst als uns um Mitternacht das Feuerholz ausgeht, gehen wir schlafen.
Durch eine Schilderung von Jay motiviert, werfen wir unseren Streckenplan am nächsten Tag um und fahren gleich quer auf der Ruta Provincial 39 nach Westen zum Paso Robellos und weiter in den Parque National Patagonia nach Chile hinüber. Auf der Strecke, am Lago Posadas, finden wir am Ufer einen Traumplatz mit kleinem Privatstrand und Blick auf einen Felsbogen im See.
Am Morgen nach einer ruhigen Nacht machen wir einige nette Fotos vom Felsbogen, …
…dann geht es durch kurzweilige bergige Landschaften weiter zum Paso Robellos. Dort erledigen wir die Grenzformalitäten in zwei „Almhütten“, es geht sehr entspannt zu.
Die Fahrt durch den Parque Patagonia ist nett, reißt uns aber nicht vom Hocker. Sieht doch sehr ähnlich aus wie zuhause im Alpenvorland. Nach dem Park treffen wir zum ersten Mal auf die Carretera Austral (das chilenische Gegenstück zur argentinischen Ruta 40) und biegen nach Süden ab. Kurz vor Cochrane übernachten wir an einer Fährstation am Rio Baker, der uns in den nächsten Tagen begleiten wird. In Cochrane, einem kleinen verschlafenen Ort, füllen wir mehr schlecht als recht unsere Vorräte auf, dann geht es nochmal 120 meist schlechte km nach Süden nach Tortel, einem eigenwilligen kleinen Ort, am Ende einer Art Fjord am Meer gelegen, der vom Tourismus entdeckt wurde. Die Einwohner des Ortes heißen übrigens „Tortelinis“. In dem Ort gibt es keine Strassen, nur Holzstege, die die Häuser entlang zweier kleiner Buchten miteinander verbinden. Die meisten Häuser sehen irgendwie zusammengeschustert aus, viele Boote vermodern am Ufer. Das ganze hat einen morbiden Charm.
Da die Carretera Austral auf diesem Abschnitt ziemlich mies ist, superstaubig und trotzdem relativ viel befahren, werden wir hier umkehren und uns die Fahrt über die letzten 120 km bis zu ihrem Ende im Süden schenken. Wir übernachten an einem Zufluss des Rio Baker, direkt am Wasser. Morgens geht es früh weiter nach Norden, wieder Richtung Cochrane und dann weiter nach Rio Tranquilo. Die heutige Strecke nennen wir die „Rüttelstrecke der toten Hasen“, denn die armen Viecher werden hier von den Rasern reihenweise platt gemacht.
Jedes Auto zieht eine enorme Staubfahne hinter sich her, nach vielen Begegnungen fährt man eine Weile wie blind. Die Strasse ist zudem oft schmal und fällt zu den Rändern stark ab, was den Nervenkitzel bei Begegnungen immer wieder mal in unerwünschte Höhen treibt. Wieder einmal wundere ich mich, dass sich unser kleines Wohnmobil im teils brutalen Wellblech in den Kurven nicht einfach in seine Bestandteile zerlegt. Wir treffen auf ein liegengebliebenes Auto und müssen ganz am Rand an einem Wohnwagen vorbeizirkeln, der mitten auf der Strasse steht und dessen Fahrwerk die Grätsche gemacht hat. Die Fahrt geht meist am Rio Baker entlang, der in einem unwirklichen Blau daherkommt.
Am Nachmittag erreichen wir Rio Tranquilo und checken auf dem Rio Chirifo Campground ein.
Hi ihr lieben Abenteurer,
auch wenn ihr länger nichts von uns gehört habt, ich bin aber mindestens einmal in der Woche auf euren Spuren mit Hilfe von Google Earth unterwegs.
Wahnsinnig spannend und informativ eure traumhaften Zeilen und Bilder. Mich freut es, dass es euch und eurem treuen Toyota gut geht.
Langsam geht es eurem geplanten Ziel entgegen oder ist evtl. eine Verlängerung eingeplant, aber ich denke, dass anstehende familiäre Ereignisse euch irgendwann in die Auwaldstraße zurückzieht.
Noch weiterhin viel Spaß und Glück auf euren Tracks.
Viele Grüße
Rosi & Peter
Hey, ihr Zwei,
das war ja mal wieder ein Hammer Bericht und unglaubliche schöne Fotos.
Bei den Sätzen über den Radler, der überlegt ob er die Karre jetzt anzünden soll hab ich Tränen gelacht.
( Obwohl es bestimmt nicht lustig war ; Brennt den so ein Radl überhaupt gescheit? ).
Auf jeden Fall danke das ihr uns so hautnah an eurem Abenteuer teilnehmen lasst.
Ich wünsch euch weiterhin eine ganz besonders schöne Reise und viel Spaß.
Grüße aus Tyrol
Chips
P.S.
DEr Gardasee wartet schon. …