Nächstes Ziel ist der Kratersee Quilotoa. Dort campen wir im Shalala, einer kleinen Anlage, die von Indios betrieben wird. Nach der Ankunft gehen wir gleich noch hoch zum Kraterrand und werfen einen Blick auf den wunderschönen, grünen See.
Am Morgen ist unser Auto, wie schon am Cotopaxi, von niedlichen kleinen Kaninchen umringt. Die sehen total süß aus (ja, ich weiss…).
Wir sehen uns auch noch den „Ort“ Quilotoa am Kraterrrand an, den Peter (Bekannter von der Finca Sommerwind) in seinem Blog etwas abfällig ein „f..cking Disneyland“ genannt hat. Ok, es ist sehr touristisch, aber dafür sitzen wir hier auch in einem gemütlichen Cafe bei einer heißen Schokolade und nutzen das WiFi für Geburtstagsgrüße und E-Mails.
Dann geht es zurück zur Panamericana durch eine bergige und komplett kultivierte Landschaft mit Feldern bis zu den Bergkämmen und in den Ort Latacunga.
Hier in Latacunga soll morgen und übermorgen das Mama Negra Festival mit einer großen Prozession stattfinden, bei dem katholische, präkolumbische und bürgerliche Rituale ein schräges Stelldichein feiern. Das Fest findet verbürgt seit mehr als 300 Jahren statt, vermutlich ist es noch deutlich älter. Mittelpunkt der Prozession ist die Statue der Jungfrau von Mercedes, von der sich die Bevölkerung Schutz im Falle eines Ausbruchs des Cotopaxi verspricht (dabei wird geflissentlich ignoriert, dass die Stadt schon dreimal bei solchen Ausbrüchen zerstört wurde). Ein Ausbruch des Cotopaxi ist laut geschichtlicher Aufzeichnungen eigentlich längst überfällig. Wir übernachten auf einem Parkplatz im Zentrum und gehen am nächsten Morgen um 9:30 gespannt zur Kirche Iglesia de Merced, wo der Umzug beginnen soll. Schon sehen wir die Prozession kommen und die Realität übertrifft mal wieder jegliche Fantasie. Was von weitem eine geschmückte Heiligenfigur erwarten lässt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als eine Art gekreuzigtes Schwein, das mit Hühnern und Meerschweinchen (alle tot), haufenweise Whiskey, Rum, Zigaretten, Obst und meist mit einem Bild der Jungfrau garniert ist. Wir sehen im Laufe der Prozession etwa 50 dieser für uns eher gruseligen Kunstwerke, die zum Teil mehr als zwei Meter hoch und offensichtlich „sauschwer“ sind.
Hinter dem Träger jedes dieser Fress- und Sauftürme laufen deshalb Helfer mit einem Eisengestell her, auf den der Schweinkram bei jedem Stocken des Zuges abgesetzt wird (trotzdem muss der jeweilige Träger, dem man die Strapazen deutlich ansehen kann, von Zeit zu Zeit ausgewechselt werden).
Eher lustig ist, dass es auch immer wieder Kinder im Zug gibt, die ein kleines verziertes Spanferkel oder sogar ein Schaumgummischwein tragen. Früh übt sich…
Vor jedem Schweineträger läuft eine Kapelle mit Bläsern, Trommel und Pauke, sowie jeweils einer oder mehrere seltsam verkleidete Tänzer mit Masken und eine Indiotanzgruppe in ihrer spezifischen, bunten Tracht. Dazwischen reitet immer wieder sowas wie ein Christkind mit Flügeln, ein General mit Säbel und mehrere Schwarze Mamas vorbei, die Schnaps in die Menge spritzen.
Die Musik ist ohrenbetäubend. Die Strassen sind gesäumt von Indios und wir stehen zweieinhalb Stunden, bis der Zug einmal an uns vorbei ist. Während des Zuges wird von vielen der Beteiligten schon eifrig dem Alkohol zugesprochen und auch die Zuschauer werden fleißig versorgt. Als wir nach dem Abendessen(!) nochmal in die Umzugsviertel spazieren, ist ein großer Teil des Zuges immer noch am Kreisen. Obwohl immer noch engagiert bei der Sache ist vielen Tänzern die körperliche Erschöpfung anzusehen, die Träger wirken teilweise wie ferngesteuert. Für uns war es unterhaltsam und befremdlich, dieses Jahrhunderte alte Ritual zu sehen. Es wirkt auf mich wie eine fiebrige Mischung aus schrägem Fasching und abgefahrenem Erntedankfest. Für die Leute hier ist es ein wichtiger Teil ihrer Kultur.
An eine Weiterfahrt ist nicht zu denken, wir kämen gar nicht aus unserem Parkplatz raus. Also nochmal übernachten und morgen früh durchbrechen.
Wir kommen ohne Probleme aus der Stadt und machen uns auf den Weg zum Chimborazo, mit etwa 6.300m der höchste Vulkan/Berg in Ecuador. Die Wetteraussichten sind wieder einmal bescheiden, aber nur wer wagt gewinnt. So fahren wir aus der komplett bewirtschafteten Landschaft, wo bis in die steilsten Hänge Felder zu sehen sind, hinauf in eine karge Hochebene. Kurz vor dem Nationalpark übernachten wir an der Strasse auf einem kleinen Campground auf 3.800m und essen auch gleich im Restaurant des Platzes bei einer Indiofrau für 4 USD ein spätes, gutes Mittagessen. Die Sicht ist gleich Null und am Abend wird es kalt und regnerisch. Wieder mal gute Aussichten für morgen. Nach einer kalten Nacht ist es am Morgen neblig und die Sicht ist immer noch schlecht, aber in Richtung des Vulkans sieht es etwas heller aus. Also nichts wie los. Es geht vorbei an zierlichen, wilden Vicunas, die wie die Lamas mit den Kamelen verwandt sind, bereits sehr lange ausgerottet waren und nun wieder hier angesiedelt wurden.
Nach einigem hin und her am Einfahrtstor zum Park fahren wir gegen 8:15 los, hinauf zum Refugio 1 (Carrel) auf über 4.800m. Der Chimborazo steht frei vor uns, es ist sehr windig und so sind wir in Eile, denn um uns rum ziehen die Wolken. Wir erreichen den Parkplatz vor der Hütte (neuer Höhenrekord für den Toyota) und wandern sofort (langsam und möglichst gleichmäßig) hinauf zum Refugio 2 (Whymper), das auf 5.000m liegt. Vom Refugio gehen wir gleich noch weiter zur (eher enttäuschenden) Laguna Condor Cocha auf 5.100m und sind schon etwas stolz, dass wir das geschafft haben (neuer Rekord, zumindest für mich).
Wir sind ganz allein hier oben und geniessen die Stille. Mehr als 1.000m über uns dräut die Gipfelgratwechte und immer wieder hören wir Steinschläge. Die Wolken rund um den Chimborazo haben sich verzogen, es ist ein herrlicher Tag. Ich erinnere mich einer kleinen Tradition auf dieser Reise, kämpfe mich noch auf einen Höhenrücken bei der Lagune und baue seit langer Zeit mal wieder ein …? Genau, a Stoamandl. 🙂
Erst jetzt kommen langsam die ersten Besucher, die ebenfalls zum Refugio oder bis zur Lagune heraufschnaufen. Als wir wieder am Parkplatz ankommen, steigt gerade Ralf aus seinem grünen LandCruiser, der für ein Jahr durch Südamerika tourt. Wir kommen ins Gespräch und dieses endet abends um 22:00 in unserem Auto. Unglaublich ist, dass wir während des Tages immer wieder Kolibris sehen, die um unsere Autos schwirren! Die Nacht auf 4.800m wird kalt und ich schlafe schlecht, denn immer wieder habe ich sowas wie kleine Panikattacken und das Gefühl, nicht genügend Luft zu bekommen. Aber auch diese Nacht geht vorbei.
Am Morgen trennen wir uns von Ralf, der hier noch ein wenig bergsteigen möchte, und fahren etwas weiter nach Süden zum Ort Guamote, wo am Donnerstag, also heute, der wöchentliche, authentische Indiomarkt stattfindet. Wir schlendern durch den Markt, der ganz den Indios gehört, und wo es von Tieren über Obst, Gemüse, Kleidung, Stoffe, Hüte, Werkzeuge bis hin zu Handy-Zubehör alles gibt, was die Landbevölkerung so braucht.
Übernachten werden wir ein paar km weiter im Killa Wasi Campspot in Alausi (dem Startort des Zuges zur Nase des Teufels, der bei Touristen sehr beliebt ist). Wir sind hier auf nur noch 2.200m und schlafen sehr gut.
Auf dem Weg zu den Inka-Ruinen von Ingapirca kommen wir erst an einer guten Bäckerei am Straßenrand vorbei und halten danach an einem Aussichtspunkt, von dem aus wir auf die Nariz del Diablo, die Nase des Teufels, die Stelle, an der der Zug zweimal am steilen Berghang in Spitzkehren rangiert, um ohne Kurve Höhe zu gewinnen. Viele Touristen haben eine Zugfahrt zu dieser Nase im Programm, deren makabrer Name auf die vielen Toten beim Bau der Strecke zurückgeht.
Am Aussichtspunkt treffen wir auf Maria und ihren Mann, die in München leben und hier Urlaub machen. Wir sehen uns gemeinsam die spannende Stelle der Zugfahrt an und wir dürfen uns ihnen zu zwei kleinen Aktivitäten (u.a. eine kleine Tanzvorführung) und beim Mittagessen anschliessen.
Ingapirca ist die besterhaltene Incaruine in Ecuador und für zwei USD Eintritt gibt es sogar eine englische Führung. Unser Guide wird nicht müde uns zu erzählen, dass die Incas in ihrer gewaltsamen Expansionsphase aus Peru kommend, hier zur Verbesserung der Akzeptanz einfach die schon bestehenden rituellen und archäologischen Stätten der hier ansässigen Canari`s nutzten bzw. übernahmen. Interessant ist noch, dass die heute hier lebenden Einwohner hauptsächlich von den Canari abstammten, es aber keine Nachfahren der Inkas mehr gibt.
Nach einer Nacht auf dem Parkplatz vor den Ruinen fahren wir nach Cuenca und checken im Tu Parade en Cuenca ein. Wir stehen vor dem Haus von Miryam in einem winzigen, betonierten Hof zusammen mit einem T4 VW-Bus aus dem Stuttgarter Raum und einem Landy mit Dachzelt aus Brasilien.
Am Wochenende streifen wir durchs Zentrum und sind von den vielen schönen Häusern im Kolonialstil ganz angetan. Auch mehrere Kirchen können wir am Sonntag von innen anschauen (am Samstags sind alle geschlossen) und einige davon sind wirklich wieder sehr schön, wenn auch nicht so prunkvoll wie einige der Kirchen in Quito.
Vor wir uns auf den Weg zur Grenze nach Peru machen ist nochmal wandern angesagt. Hierfür fahren wir etwa 20 km von Cuenca nach Westen in den Nationalpark Cajas, zur Rancho Hnos Prado auf über 3.900m. Auf dem Parkplatz dieses Restaurants kann man kostenlos übernachten, wenn man dort isst.
Wir entscheiden uns beide für eine Forelle und sehen erstaunt, wie kurz nach unserer Bestellung der Koch zu einem der Teiche hinter dem Haus eilt und eine wunderschöne Forelle rausholt. Frischer geht es nicht. Die Forelle schmeckt vorzüglich. Am gleichen Nachmittag steht noch eine Wanderung in die ungewöhnliche Umgebung an. Das bergige, baumlose Gelände (Paramo genannt, ein alpines Tundra-Ökosystem) ist hauptsächlich mit dem hübschen, hohen Paramo-Gras bewachsen (das die Tiere offensichtlich nicht fressen können) und mit vielen kleinen und kleinsten Seen durchsetzt, die jeder Wanderung hier einen speziellen Reiz geben. Mein Weg führt mich zuletzt supersteil durch ein Schutt-Kar hinauf auf einen Grat, wo ich erschöpft noch ein Stoamandl baue, bevor ich mich auf den Rückweg mache.
Am nächsten Tag gehen wir zu einem Mirador (Aussichtspunkt) auf der anderen Talseite hinauf. Auch diese Wanderung ist aufgrund der Höhe anstrengend aber auch sehr reizvoll und erfreut uns mit schönen weiten Blicken über den Park. Und da mich das Fieber wieder gepackt hat, hinterlasse ich auch hier ein schönes Stoamandl, das allerdings, wie meist, den nächsten starken Wind nicht überstehen dürfte.
Die Zeit drängt (die Regenzeit sitzt uns im Nacken) und so entscheiden wir uns, die Küste von Ecuador wegzulassen und machen uns auf den direkten Weg nach Süden.
Der kleine unscheinbare Ort Vilcabamba, in dem die Menschen angeblich besonders alt werden, hat auch viele Gringos angelockt, die hier leben bzw. ihren Lebensabend verbringen. Hier soll unsere letzte Station in Ecuador sein.
Die bezaubernde Hosteria Izhcayluma ist für ein kurzes Durchschnaufen wie geschaffen. Sie wird von zwei deutschen Brüdern, Dieter und Peter, aus dem süddeutschen Raum geführt. Die beiden brauen selbst verschiedene Biersorten, es gibt selbst gebackenes Brot und auf der Speisekarte stehen Gerichte wie „Gulasch mit Semmelknödeln“ oder „Hühnergeschnetzeltes mit Spätzle“. Da die ganze Anlage sehr geschmackvoll und sauber ist, läßt es sich hier gut aushalten. 🙂
Nach der ersten Nacht hier erfahren wir, dass es heute im ganzen Land Streiks und Straßenblockaden gibt, weil die Regierung u.a. den Preis für den hoch subventionierten Diesel ab heute mehr als verdoppelt hat (von etwa 27 Cent/Liter auf fast 60 Cent/Liter). Im ganzen Land geht heute und in den nächsten Tagen auf den Strassen nix, eine Fahrt hierher wäre unmöglich. Außerdem habe ich gestern noch meinen hinteren Tank vollgemacht, weil der Diesel in Peru mit etwa 1 Euro/Liter deutlich teurer sein wird. So sitzen wir ganz geruhsam hier und denken: was für ein Dusel…
Auch für die Gäste der Hosteria hier sind die Straßenblockaden ein Problem. Leute können nicht anreisen, Leute können nicht abreisen. Reisepläne werden zu Makulatur. Wir allerdings verbringen entspannte Tage hier und freuen uns auf Peru.
Zum kleinen Grenzübergang nach Peru sind es „nur“ noch 160km, durch eine einsame Berglandschaft. Die letzten 50km sind Schotterpiste, die wegen vieler Erdrutsche oft nur einspurig sein soll, mit steilen Passagen. Es wird dringend abgeraten, diese Stecke bei starken Regenfällen zu fahren. Die Regenzeit fängt gerade an. Außerdem gibt es überall im Land Straßensperren. Spannend…
Fazit: Ecuador ist ein abwechslungsreiches, sicheres Reiseland mit meist guten Strassen, ohne Rebellenorganisationen wie der FARC (Kolumbien) oder den Leuchtenden Pfad (Peru). Aufgrund der geografisch kleinen Größe liegen praktisch alle interessanten Orte eigentlich nahe beieinander, wobei „nahe“ relativ ist, denn die Fahrstrecken sind verglichen mit den jeweiligen Luftlinien aufgrund der bergigen Landschaft exorbitant länger. Speziell im Norden fällt auf, dass die Menschen keinen großen Wert auf ihr Zuhause zu legen scheinen, die Häuser sind, z.B. im Vergleich zu Kolumbien, meist eher hässlich, die Vorgärten ungepflegt. Im Süden ist das deutlich anders. Jeglicher Flecken Land scheint wenn irgend möglich in irgendeiner Form bewirtschaftet. Wir haben zwar weder die Küste (ausgenommen die Küste im Norden bei unserer Hans Tour) noch das Amazonas-Tiefland besucht, aber die Mischung aus Kultur und Landschaft auf Strasse der Vulkane hat uns sehr gut gefallen (auch wenn wir einige der Vulkane wegen dichter Wolken nicht gesehen haben).
Lieber Georg und Monika,
nachdem ich seit Ende August so gut wie nicht mehr zu Hause war, bin ich erst am Wochenende dazu gekommen Eure letzten Blogs zu lesen.
Im Blog 40 hat mich der Urwald sehr beeindruckt und natürlich die Fahrt mit der “Eisenbahn“…
Ecuador ist ja ein tolles Reiseland. Die kolonialen Städte, die Märkte und die Bergwelt sind schon ein Erlebnis für sich. Einfach toll wie ihr das schildert, damit auch wir Eure Reise nachempfinden können.
Und der Toyota klettert problemlos bis fast 5.000 m Höhe.
Weiterhin eine interessante, pannenfreie Reise.
Viele liebe Grüße
Rainer
Toll ! Baeckerei, Wanderungen und endlich wieder Stoamandl…..
wieder zwei sehr interessante Berichte !
Weiterhin gute Reise und Alles Gute. Wir “muessen” morgen auf die Wies’n und werden sicher mit einer frischen Maß auf euch anstoßen ???
Liebe Gruesse Dorita & Seppo