Die Fahrt zur peruanischen Grenze, bei gutem Wetter und durch schöne Landschaft, verlief unerwartet reibungslos. OK, wir kommen an vielen, alten Erdrutschen vorbei, wo sich die Strasse auf eine Spur verengt und machmal war bei größeren Strassenschäden eine Schotterumfahrung eingerichtet. Wenn es also regnet…
Verglichen mit den Berichten, die wir gehört hatten, war die Fahrt aber heute ein Äpfelchen.
An der Grenze treffen wir auf den verzweifelten, jungen Backpacker Till aus der Schweiz, der sich trotz der ganzen Protestwirren vorbei an brennenden Straßensperren mit LKW`s und zu Fuss durch ganz Ecuador geschlagen hat. Leider hat er es verpasst, sich bei der Einreise nach Ecuador einen Stempel im Pass geben zu lassen. Der Grenzer hier spricht von illegaler Einreise und droht mit Gefängnis oder Abschiebung in die Schweiz. Letztlich lässt ihn der ecuadorianische Grenzer zur Grenze von Peru weitergehen. Dort gibt es zunächst das gleiche Spiel, aber nach langem Hin und Her kriegt er mit etwas Bakschisch dann doch seinen Einreisestempel und ist überglücklich. Da sein Bus längst weg ist, nehmen wir ihn in die nächste kleine Stadt, San Ignacio, mit und liefern ihn dort an einem Hostel ab.
Da es schon dunkelt übernachten wir an einer Tankstelle und fahren am Morgen weiter über die Wasserscheide, dann eine Zeit lang an einem großen Fluss entlang, der, wie alle Flüsse seit der Wasserscheide, zum Amazonas fließt, durch die ersten Reisfelder auf unserer Reise …
…und irgendwann rechts ab zum Gebiet der Chachapoyas, der
Wolkenmenschen in der Amazonas Provinz von Peru. Erstes Ziel ist das
kleine Nest Cocachimba, auf etwa 1.800m gelegen, wo wir auf dem Hof
eines kleinen Hostels stehen können.
Hier erfahren wir, dass
die Proteste in Ecuador wohl sehr schlimm geworden sind und die
Regierung den Ausnahmezustand verhängt hat. Wie lange diese
Situation noch anhält, die auch für alle Reisenden im Land eine
Katastrophe ist, weiß niemand.
Am nächsten Morgen starten wir
unsere Wanderung zu dem zweistufigen Gocta Cataracta, der mit 771m zu
den höchsten Wasserfällen der Erde gehört. Auf der zwei-stündigen
Wanderung durch eine imposante Bergkulisse werden die anfänglichen
Zuckerrohrfelder irgendwann von dichtem Regenwald abgelöst. Alle
Bäume sind mit Moos ummantelt. Irgendwann auf dem Weg fängt es
leicht zu regnen an. Regenwald eben. Der Wasserfall wird immer wieder
von Nebelschwaden umwoben, was dem Anblick einen leicht mystischen
Touch gibt. Aus der Nähe ist der Wasserfall wunderschön und
beeindruckend. Erst auf dem Rückweg begegnen wir den ersten
Touristengruppen, die, oft zu Pferd, ebenfalls zum Wasserfall
unterwegs sind.
Nach zwei Nächten in Cocachimba geht es zu den Ruinen von Kuelap, die als nicht so überlaufene Alternative zu Machu Picchu gehandelt werden. Kurz vor Kuelap kommen wir an einem Abzweiger zu den Sarkophagen von Sholon vorbei und fahren spontan auf einer serpentinenreichen Lehmstrasse hinauf zum kleinen Ort Colcamar, von wo aus man zu den Steinfiguren laufen kann. Kurz vor dem Ortseingang wird die Strasse plötzlich sehr schlammig, so dass wir auf die Wanderung verzichten. Wenn es hier nochmal regnet, kommen wir womöglich nicht mehr weg.
In Nuevo Tingo fahren wir mit der nagelneuen, 4 km langen Kabinenbahn auf den Höhenrücken auf der anderen Talseite zu den Ruinen von Kuelap. Von dort müssen wir noch ein Stück hinauf zur höchsten Erhebung des Höhenrückens, wo die von den Wolkenkriegern ab dem 5. Jhdt (und damit lange vor den Inkas) erbaute ovale Anlage mit einer Länge von 1,5 km und einer Breite von 120 Metern liegt. Die Kuppe wurde mit einer bis zu 20 Metern hohen Steinmauer eingefasst und das Terrain oben eingeebnet und dicht mit meist runden Häusern bebaut. Es gibt nur drei schmale Eingänge in diese Anlage, die damit leicht zu verteidigen war. Die Wolkenkrieger waren angeblich größer als die Indios, hellhäutig und gefürchtet. Eine Theorie besagt gar, dass sie von den Wikingern abstammten. Sie wurden um 1470 zwar von den Inkas besiegt, jedoch nie vollständig unterworfen. Die außergewöhnliche, interessante Anlage mit den runden Hausresten selbst ist zweifellos historisch bedeutend, ist aber doch auch ganz anders als Machu Picchu und nicht vergleichbar. Dafür ist ein Besuch ohne Reservierung noch jederzeit möglich und die Menschenscharen halten sich (noch) in Grenzen.
Wir übernachten auf dem Gelände der Hacienda Estancia El Chillo ein paar km südlich von Kuelap. Wir sind ja nach wie vor in einer sehr bergigen Region unterwegs und es fällt auf, dass die Siedlungen hier meist auf den Höhenrücken liegen, da die Täler selbst weiter unten sehr steil und schroff werden, was eine Bewirtschaftung der Hänge nicht mehr zulässt. Sobald die Hänge nach oben flacher werden, beginnen die Felder und gibt es Ansiedlungen und kleine Orte.
Weiter geht es zu den Mausoleen von Revosh. Dort sind
Begräbnisstätten der Wolkenmenschen wie Schwalbennester in die
Felswände gebaut. Wir fahren auf engen Serpentinen in den winzigen
Weiler San Bartolo auf 2.800m hinauf, mieten eine Führerin,
Margarita, und gehen die etwa 30 Minuten zu den Ruinen.
Nachdem
zuviele Touristen-A..löcher ihre Initialen in die Ruinen gekratzt
haben, können die Ruinen nur noch aus einiger Entfernung
fotografiert werden, sie zu betreten ist inzwischen leider verboten.
Die kleinen, aus Holz und Lehm in Felsüberhänge gebauten Häuschen
sind etwa 800 Jahre alt. In Ihnen haben die Wolkenmenschen die Toten
von bedeutenden Familien, jeweils zu kleinen Bündeln verschnürt,
bestattet.
Durch die klimatischen Bedingungen hier sind die Toten teilweise mumifiziert. Viele der sterblichen Überreste (etwa 200) sind im nächsten Ort, Leymebamba, im Museum gelandet, wo wir als nächstes hinfahren. Interessant ist, dass viele Häuser in dieser Gegend immer noch sehr grob aus Holzbalken und Lehm gebaut sind, wie vermutlich seit mehr als 1000 Jahren. Einzig das Dach wird mittlerweile mit Wellblech gedeckt. Erst bei Neubauten werden wie überall Materialien wie Beton und Ziegel verwendet.
Am späten Nachmittag erreichen wir Leymebamba und besuchen noch für eine Stunde das bekannte Museum über die Kultur der Chachapoyas dort. Neben interessanten modellierten Ansichten der Anlage Kuelap (erinnert ein wenig an die gallischen Dörfer in Asterix) gibt es verschiedenste Gegenstände des täglichen Bedarfs wie z.B. Tongefäße, Schmuck, Metallnadeln, Kämme, Kleidung, etc. Ebenso gibt es einen Raum mit den bereits erwähnten Mumien, die man allerdings nur durch ein Fenster sehen kann.
Weiter geht es über die seit Chachapoya einspurige und sehr spannende Strasse in Richtung Küste nach Cajamarca. Junge Franzosen, die wir gerade getroffen haben, haben geraten, umzukehren und die längere aber schnellere Strasse über Bagia Grande zur Küste zu fahren. Die Beschreibungen der Strecke nach Cajamarca (noch über 200km) klingt jedoch so spannend, dass wir es trotzdem riskieren möchten. Es handelt sich um eine meist einspurige, oft extrem ausgesetzte Strasse durch eine grandiose Bergwelt, die permanent von Steinschlägen und Erdrutschen bedroht ist. Entgegen kommende Fahrzeuge stellen an vielen Stellen ein Problem dar. Die sehr gewundene Strasse stellt schon vorwärts gefahren eine Herausforderung dar, bei der jede Unachtsamkeit fatale Folgen nach sich ziehen würde. Wenn an den schmalen Stellen rückwärts gefahren werden muss, wird es hochgradig lebensgefährlich.
Wir schaffen am selben Abend noch knapp 30km hoch zum Calla Calla Pass auf 3.600m. Auf der Passhöhe finden wir einen Traumplatz zum Übernachten. Draußen pfeift ein heftiger, kalter Wind, der unser kleines Womo die ganze Nacht durchschüttelt. Der Sonnenuntergang und die Blicke auf beide Seiten des Passes sind schlicht atemberaubend. Nach einer unruhigen Nacht fahren wir früh weiter.
Die Strasse ist ganz grosses Kino in Cinemascope, entlang an für die hilflose Beifahrerin gruseligen und nervenzehrenden Abgründen. Immer wieder fährt man auf Felsnasen zu, wo die Strasse um ein enges Eck verschwindet und vor einem nur noch das imposante Panorama zu sehen ist. Der totale Wahnsinn. Während der nächsten zwei Stunden treffen wir auf Kühe, Schweine, Hunde, Hühner, ein Fahrrad, zwei entgegenkommende Fahrzeuge und insgesamt eine handvoll Leute am Straßenrand.
Die Strecke führt über Balsas und Celendin nach Cajamarca. Die Franzosen haben uns erzählt, dass es irgendwo eine Strassensperre wegen Bauarbeiten gibt. Kurz nach Balsas (auf 800m, wir fahren durch Palmen und Bananen!) und 40km vor Celendin treffen wir auf diese Vollsperrung, die offiziell jeden Werktag von 6:00 bis 18:00 Uhr dauert. Wir sind das erste Fahrzeug an der Sperre.
Wir haben noch 140km bis Cajamarca, müssen aber an der Sperrung einen halben Tag totschlagen und können die Baustelle erst kurz vor Einbruch der Nacht passieren. Gottseidank sind wir flexibel.
Auch einige Touristentaxis kommen an der Baustelle an. Wir unterhalten uns lange mit zwei Radiologen aus den USA, die morgen von Cajamarca nach Lima fliegen wollen und deshalb etwas mehr Stress haben als wir. Gegen 17:30 wird die Meute, die sich inzwischen angesammelt hat, auf den vor uns liegenden Pass losgelassen.
Was folgt erinnert mich an die Situation, wenn die Griechenlandfähre in Igomenitsa ankommt und alle Fahrzeuge aus der Fähre das Rennen den Berg hinauf starten. Ich lasse alle wartenden Fahrzeuge vorbei und wir fahren in Ruhe zur Passhöhe vor Celedin hinauf. An dessen höchstem Punkt gibt es eine ebene Fläche bei einer Art Kapelle neben der Strasse auf 3.100m, wo wir, wieder mit toller Aussicht, übernachten.
Am nächsten Tag geht es bis Celedin sehr spannend weiter, die Strasse ist immer wieder schmal und sehr ausgesetzt. Der Blick auf die umliegende Berglangschaft traumhaft. Erst ab Celedin wird die Strasse durchgehend zweispurig und ist, trotz anhaltend schöner Landschaft und weiterem Auf und Ab nicht mehr ganz so spannend. Die spannende Strecke von Cachapoyas nach Celedin, wunderschön und über 200km lang, ist ein absolutes Highlight unserer Reise.
Auf dem Weg nach Cajamarca besuchen wir die relativ neue Kirche „Santuario de la Virgin del Rosario de Polloc“, die innen komplett mit Glas- und Keramik-Mosaiken bedeckt ist. Auch die Gebäude aussen sind reichlich mit bunten Mosaiken mit christlichen Motiven verziert. In das wunderschöne Patio neben der Kirche (ein großer Innenhof mit Brunnen) konnten wir nur einen kurzen Blick werfen. Die Kirche wurde in zehnjähriger Bauzeit errichtet. Nur ein kleiner Stop unterwegs, aber ein kleines, einzigartiges Juwel.
Kurz vor Cajamarca machen wir noch einen Stop bei den Ventanillas de Otuzco, einer kleinen Felswand, in die vor etwa 800 bis 1200 Jahren über 300 Grabhöhlen in den Fels geschlagen wurden. In diesen kleinen Höhlen wurden die Toten, sorgfältig zusammengefaltet, bestattet.
In Cajamarca gehen wir in einen supermordernen, riesigen Supermarkt mit superineffektivem Einkaufssystem und sind danach so frustriert, dass wir die Stadt sofort wieder nach Westen verlassen.
Nächstes Ziel wird Huaraz in der Cordilliera Blanca sein. Hierfür müssen wir hinunter zur Küste, dort ein Stück nach Süden und bei Chimbote wieder hoch in die Berge. Die Küste hier im Norden ist potentiell gefährlich, es gibt immer wieder bewaffnete Raubüberfälle. Also wollen wir heute ziemlich nahe zur Küste runterfahren, aber noch in den Bergen übernachten. Dies gelingt uns perfekt, wir finden kurz vor dem Dunkelwerden einen tollen Platz am Stausee Reservorio de Tinajones, wo wir eine entspannte Nacht verbringen.
Der nächste Tag ist ein Fahrtag, denn wir wollen am Abend wenn möglich bereits wieder in die Berge abgebogen sein. Nach kurzer Fahrt erreichen wir die Küstenstraße, die Panamericana, und fahren auf ihr nach Süden. Wie schon von anderen Reisenden berichtet ist augenfällig, dass sehr viel Müll herumliegt. Unterwegs machen wir nur an den bekannten Pyramiden der Moche Kultur bei Trujillo halt. Die Stadt Moche, nahe am Meer gelegen, hatte bis zu 20.000 Einwohner, ein raffiniertes Netz von Bewässerungsanlagen und ihre Blütezeit von 100 bis 700 n.Chr. In diesen Jahrhunderten entstanden die beiden der Sonne und dem Mond gewidmeten Adobe-Pyramiden Huaca del Sol und Huaca de la Luna, die größten Bauwerke im alten Südamerika, von tausenden Arbeitern aus Millionen von Lehmziegeln erbaut. Es gibt ein Museum und Führungen durch die Ruinen. Monika ist baff, denn sie erinnert sich noch, dass sie vor 40 Jahren schon mal hier war und alleine zwischen den verfallenen „Hügeln“ aus Lehmziegeln herumgelaufen ist und alte Perlen aus dem Sand gesammelt hat. Seit 1990 wurde die Ruine der Mond-Pyramide (der „religiösen“ Pyramide) ausgegraben, es wurden Teile der alten Anlage freigelegt und es wurde ein Museum mit den Fundstücken gebaut. Die Pyramide selbst wurde damals etwa alle 100 Jahre (alle drei Generationen) insgesamt fünf mal komplett mit Lehmziegeln überbaut und wurde dabei jeweils größer und höher. Während der interessanten, englischen Führung können wir hauptsächlich von den Ebenen 3 und 4 Teile der Gebäude besichtigen. Besonders beeindruckend sind die teilweise sehr gut erhaltenen, bunten Wandreliefs und die schiere Größe der freigelegten Bereiche. Die Stadt wurde im 9. Jahrhundert vermutlich wegen vieler schwieriger Jahre durch El Nino Unwetter und Dürren aufgegeben.
Nach diesem eindrucksvollen Besuch machen wir uns wieder auf den Weg und erreichen, wie erhofft, einen Übernachtungsplatz etwa 50km weg von der Küste am Rio Santos Fluss im Landesinneren.
Hallo Georg,
nach Deiner Beschreibung ist ja hier eindeutig der Weg das Ziel.
Dennoch bietet auch dieser Abschnitt Eurer Reise wieder jede Menge Kultur und landschaftliche Hochgenüsse.
Weiterhin viel Glück und immer gute Fahrt,
Rainer
Hallo aus dem ICE
Trujillo, ja da war ich letztens auch, hätten wir uns eigentlich treffen müssen.
Grüssle, Frank
PS: Trujillo in der Extremadura ?
boah so reizend diese Pässe !! ich möchte sofort los, aber ich kann mich auch noch sehr gut daren erinnern wie im Altiplano “mein Motor” schwächelte u. ewig keine Orte kamen um mal was zum essen zu finden. viel viel Glück u. Spass wünch ich Euch weiterhin u. natürlich gute Sicht u. klare Luft u. nix Problemos !