Von der Araucarienwäldern des Conguillio NP fahren wir zurück auf die Ruta 5, die Panamericana, und weiter nach Norden. Auf dem Weg besuchen wir den Wasserfall Las Lajas, supertouristisch und mit sehr wenig Wasser leider wenig beeindruckend.
Hier treffen wir zufällig auf Hajo und Nora, zwei unerschrockene Nordlichter mit ihrem Hymer-Mobil, die uns erzählen, dass sie heute noch bis nach Bulmes zu einem kleinen Weingut fahren wollen. Kurzentschlossen schliessen wir uns an.
Auf dem Weingut Vina Chillan, das einem Schweizer gehört, ist aufgrund des Saisonendes das sehr empfohlene Restaurant und das Gästehaus bereits geschlossen, in einigen Tagen beginnt hier die Weinernte. Eine junge Winzerin, die hierfür extra für drei Monate aus der Schweiz angereist ist, macht mit uns ganz unbürokratisch eine kleine Weinprobe. Währenddessen treffen noch Martin und Claudia in einem LKW ebenfalls auf dem Weingut ein. Der Malbec hat es uns angetan und so kaufen wir ein paar Flaschen. Wir dürfen auf dem Weingut übernachten und so sitzen wir sechs Overlander am Abend wieder bis in die Puppen draußen und genießen den lauen Abend.
Am nächsten Tag geht es noch einmal von Parral aus in einer Schleife hinunter ans Meer nach Constitution, wo wir uns vom Pazifik „verabschieden“ möchten. Wir machen Station im kleinen Fischerort Pellenhue
und kaufen im kleinen Dorf Chanco typischen, lokalen Käse. Die Küste ist sehr malerisch, durchsetzt mit großen Felsen, die am Strand und im Meer stehen.
Etwas südlich von Constitution lassen wir uns auf Masi`s Surfcamp nieder. Hier kann man den ganzen Tag den Locals beim Wellenreiten zusehen. Auf dem Platz treffen wir zufällig die beiden jungen schweizer Rucksacktouristen Aaron und Sabrina wieder, die auf ihrer einjährigen Panamericana-Reise gerade einige Wochen mit Mietauto und Dachzelt unterwegs sind. Mit ihnen haben wir kurz vor Pucon bereits einmal einen Abend an einem kleinen See verbracht.
In der zweiten Nacht beobachten wir in einiger Entfernung ein Feuer, das irgendwo an der Strasse am Meer entlang ausgebrochen (bzw. gelegt worden) ist, das sich schnell ausbreitet und rasend schnell die Hügel hinauf brennt. Am nächsten Morgen fahren wir diese Küstenstraße zurück nach Constitution, wobei wir an vielen kleinen Bränden vorbeikommen. Ein Löschhubschrauber ist pausenlos im Einsatz.
Da in Santiago für die nächsten Wochen durchgehend Demonstrationen angekündigt sind, werden wir auf die Stadt komplett verzichten und fahren nur kurz auf die Ruta 5 um vor Talca schon wieder nach Osten in Richtung Paso Pehuenche abzubiegen. Am Lago Colbun übernachten wir bei Maria auf dem hübschen, aber sehr teuren Marina Colbun Campground. Dann geht es weiter über den landschaftlich reizvollen Pass mit 2.540m …
… zu den (zwischen den Grenzstationen liegenden) Banos Termales Cajon Grande (auf etwa 2.000m) auf der argentinischen Seite, wo ich mich abends noch in einem der heißen Pools entspanne.
Am nächsten Tag, Freitag dem 13.3., fahren wir weiter zur Grenzstation von Argentinien. Nachdem wir den Papierkram erledigt haben und gerade fahren wollen, kommt ein offensichtlich höherer Beamter zu unserem Auto und möchte noch einmal unsere Pässe haben. Wir sind etwas beunruhigt, aber nach einigen Minuten bekommen wir die Pässe zurück und dürfen einreisen.
Nächste Station ist San Rafael, wo wir mal wieder Handyempfang haben und völlig perplex feststellen müssen, dass das ganze Weltgeschehen inzwischen von einem kleinen, fiesen Grippe-Virus diktiert wird. Die weltweit ergriffenen Maßnahmen erwecken den Eindruck von Panik. Auch Argentinien hat Maßnahmen eingeleitet und u.a. die Einreise von Ausländern eingeschränkt. Jetzt verstehen wir, dass wir an der Grenze wohl nochmal Glück hatten, weil wir schon lange hier in Südamerika unterwegs sind. Wir nehmen das Ganze bis dato noch nicht besonders ernst, da wir sowieso am 12.4. einen Verschiffungstermin in Uruguay haben. Ein Blick auf die Grimaldi-Info-Seite zeigt jedoch, dass sich die geplante Abfahrt inzwischen um eine Woche verzögern wird. Uns beschleicht ein mulmiges Gefühl. Eigentlich soll es morgen Richtung Atlantik weitergehen, aber just am Abend erreicht uns eine Nachricht von Paul und Tanja, die wir bei Hans in Ecuador kennengelernt haben. Und so ändern wir wieder einmal spontan unseren Plan und fahren am nächsten Tag nordwärts nach Mendoza, wo wir mit den beiden Kiwis zwei sehr unterhaltsame Abende auf dem El Mangrullo Campground verbringen.
Beim Lesen der aktuellen Meldungen erfahren wir, dass Argentinien alle internationalen Flüge ab übermorgen aussetzen wird. Es wird immer klarer, dass wir nicht wie bisher immer noch angenommen zum geplanten Termin einfach nach Hause kommen werden. Susanne und Michael wurden nach ihrer Wiedereinreise aus den USA vor einigen Tagen in einem kleinen Kaff im Süden Argentiniens von der Polizei besucht und unter Quarantäne gestellt. Das Weltgeschehen, das wir in den letzte zwei Jahren etwas vernachlässigt hatten, hat sich mit brachialer Macht wieder in unser Leben gedrängt. Wer hätte sich vor einigen Wochen vorstellen können, dass so etwas passieren kann.
Klaus und Irmgard haben sich aus der Gegend von Cordoba gemeldet und wir beschließen, ebenfalls dorthin weiterzufahren. Als wir vor der Weiterfahrt noch kurz unsere Wäsche aus der Reinigung in Mendoza abholen, werden wir von einem Polizisten gestoppt. Erst nach mehreren längeren Telefonaten dürfen wir schließlich weiterfahren. Die Dinge spitzen sich zu. Nach zwei Tagen, 650 km Fahrerei und diversen Polizeisperren treffen wir endlich in Villa General Belgrano ein, um uns mit Klaus und Irmgard auf einem Campground hier zu treffen. Da erreicht uns die Nachricht, dass die beiden nach einer nächtlichen Polizeirazzia den Platz verlassen mussten. Wir treffen uns an einem freien Stellplatz am Ortsrand am Fluss, aber ständig fahren Leute vorbei und beäugen uns argwöhnisch. Wir sind etwas ratlos. Ständig erreichen uns Nachrichten von der Verschärfung der Maßnahmen und wir fühlen uns unter den Augen der Anwohner nicht wohl. Das Meer der Freiheit, in dem wir Reisende unterwegs waren, wurde binnen unvorstellbar kurzer Zeit trockengelegt. Letztendlich frage ich telefonisch bei einem anderen Campground etwas außerhalb nach und siehe da, Roger (mit Schweizer Wurzeln) ist bereit uns im Veilchental aufzunehmen. So checken wir am 17.3. zu viert dort ein, später kommen noch Rolf und Regina in ihrem Mercedes LKW und so sind wir eine nette kleine Truppe, was das Ganze deutlich erträglicher macht. Der Campground liegt idyllisch im Wald und Roger will uns auch mit Lebensmitteln versorgen. So können wir es eine ganze Weile aushalten, falls wir nicht doch noch von hier vertrieben werden.
In
den folgenden Tagen erleben wir mit, wie die ganze Welt verrückt
wird und immer wenn man denkt, mehr geht nicht wird es noch
verrückter. Viele der Reisenden verlieren in diesen Tagen die Nerven
und versuchen auf biegen und brechen, meist über das kurzfristig ins
Leben gerufene deutsche Rückholprogramm, mehr oder weniger
erfolgreich, nach Hause zu kommen. Ausländer werden mehr und mehr zu
Geächteten, werden angefeindet und verjagt.
Nach Ablauf der
ersten Ausgangssperre am 31.3.2020 taucht am Abend ein Polizeiauto
mit Polizisten und Gesundheitspolizei der Gemeinde im Veilchental auf
und wir müssen alle antreten. Angeblich hat jemand Roger angezeigt,
weil er Ausländer aufgenommen hat und beherbergt. Unsere Namen und
Passnummern werden aufgeschrieben und Monika befürchtet Schlimmeres.
Am nächsten Tag kommt die Truppe wieder und bei jedem von uns wird
mittels Laserthermometer die Temperatur aus drei Metern Abstand
gemessen. Es stellt sich heraus, dass Roger uns hätte anmelden
müssen. Da er wegen verschiedener Dinge eh mit der Gemeinde im
Clinch liegt, ist zu befürchten, dass er Ärger kriegt. Für uns war
das ein großes Glück, denn Roger hätte uns eigentlich wegschicken
müssen. Dafür ist es jetzt zu spät und wir müssen/dürfen hier in
Quarantäne bleiben. Das heißt, wir sind jetzt offiziell hier
eingesperrt. Wir alle begrüßen dies, haben wir doch damit eine
gewisse Sicherheit, nicht mehr verjagt zu werden.
In den
folgenden ruhigen und erholsamen Tagen können wir verfolgen, wie
sehr die Welt aus den Fugen geraten ist und können es kaum fassen.
Ich mache ein paar kleine Reparaturen, füttere die Hühner von Roger
(die, sobald ihr Käfig geöffnet wird, jeden Tag ein Wettrennen zu
uns herüber veranstalten, was sehr lustig aussieht) und liege in der
Hängematte. Wir sitzen oft zusammen, trinken Kaffee und diskutieren
die alarmierenden Meldungen aus Deutschland, Argentinien und der
Welt.
Unser Verschiffungstermin, ursprünglich für den 10.4. von Montevideo in Uruguay geplant, hat sich im Laufe der Wochen bereits bis zum 24.4. verschoben. Am Anfang unseres Aufenthaltes hier hoffe ich noch, dass wenn die Ausgangssperre gegen Mitte April gelockert wird, wir nach Uruguay hinüberfahren können, um unseren Toyota dort abzugeben. Gestrandete Touristen berichten zunehmend von Schikanen seitens der Behörden, wir sind alle zu „persona non grata“ mutiert. Sich im Land zu bewegen wird durch viele Straßensperren verhindert. Wir registrieren uns sicherheitshalber für die Rückholaktion der Botschaft, obwohl wir ja nicht heimfliegen möchten, bevor wir unser Auto für die Verschiffung abgegeben haben. Während der ersten vier Rückholflugaktionen (bei denen wir nicht berücksichtigt werden) verfolgen wir die immer verzweifelter werdenden Bemühungen von Leuten, irgendwie nach Buenos Aires und auf einen Flug zu kommen. Die Situation ist beklemmend. Im Laufe unseres Aufenthaltes muss auch ich einsehen, dass eine rechtzeitige Ausreise nach Uruguay für die Verschiffung illusorisch geworden ist und wir buchen auf eine Verschiffung in Zarate (90km von Buenos Aires) um. Wir möchten vor einer Abreise auf jeden Fall zuerst unser Auto nach hause zu schicken, denn es herrscht unter den Reisenden eine große Unsicherheit, was bei einer Ausreise nach Ablauf der temporären Einfuhrgenehmigung mit dem eigenen Fahrzeug geschieht. Danach wollen wir dann nach Buenos Aires um dort auf einen Flug zu spekulieren. Dann geht es plötzlich Schlag auf Schlag. Am 8.4. erhalten wir eine Bestätigung mit dem Abgabetermin 16.4. in Zarate für den Toyota. Am 11.4. erreicht uns die Nachricht, dass wir für den letzten Rückholflug am 17.4. auf der Passagierliste stehen! Das würde so perfekt passen, dass wir es erst kaum glauben können. Auch Rolf und Regina erhalten einen Platz im Flugzeug und organisieren in großer Eile ebenfalls noch einen Abgabetermin für die Verschiffung ihres LKWs am 16.4.
Die folgenden Tage werden ziemlich nervenaufreibend, denn wir müssen den Toyota für die Verschiffung vorbereiten, brauchen einen Transport nach Buenos Aires (Taxis fahren nicht mehr) und ein Hotel in Buenos Aires (die meisten Hotels sind geschlossen bzw. nehmen keine Ausländer auf). Am Dienstag den 14.4. fahren wir los auf die 700 km Strecke nach Zarate und hoffen, dass wir mit unseren dürftigen Papieren durch die Straßensperren kommen (für den Notfall hat uns Gabi zusätzlich noch diverse Fake-Dokumente gezaubert, was für unser Nervenkostüm gut ist).
Aber alles klappt soweit gut, nur beim Versuch auf der Strecke einen versteckten Übernachtungsplatz zu finden, werden wir von einem Autofahrer beobachtet und sofort bei der Polizei gemeldet. Der herbeigeeilte Polizist lässt uns nach einigem Hin und Her weiterfahren und mit etwas Glück finden wir (in der Dunkelheit) einen ruhigen, uneinsichtigen Platz hinter einer Tankstelle. Die letzte Nacht auf den 16.4. verbringen wir auf dem Parkplatz am Hafen von Zarate, wo wir lustigerweise nochmal Susanne und Michael treffen, die ebenfalls am 16.4. ihren Truck abgeben. Auch ein Schweizer Paar, Werner und Sylvia, in einem großen LKW und Robin und Karin mit ihrem Hilux Pickup finden sich für die Abgabe ein. Die Abgabe selbst funktioniert bei allen 5 Fahrzeugen reibungslos und alle kommen danach irgendwie nach Buenos Aires. In Buenos Aires gibt es zwar noch Verkehr, aber man sieht kaum Menschen auf den Strassen. Am Abend gehen wir noch in den kleinen Shop nebenan und kaufen Bier, wobei immer nur drei Leute in den Laden dürfen. Alle sind vermummt. Dann haben wir noch einen vergnüglichen Abend mit Susanne und Michael, die ebenfalls im Milhouse Hostel übernachten.
Am nächsten Tag geht es zum gespenstisch leeren Flughafen und wieder klappt alles wie am Schnürchen.
Am 18.4. um 15:00 landen wir in Frankfurt und können sofort im Anschluss in einem ICE nach München steigen.
Nach
genau 2 Jahren und über 80.000 gefahrenen Kilometern findet die
wunderbare, mit vielen Höhepunkten gespickte „Reise unseres
Lebens“ nach dramatischen Wochen voller Unsicherheit doch noch ein
Happy End. Nachdem wir hautnah mitbekommen haben, wie viele Leute
ihre lange Reise mittendrin oder sogar schon nach kurzer Zeit
abbrechen mussten, ist uns auch klar geworden, dass wir mit dem
Zeitrahmen unserer Reise großes Glück hatten. Aktuell weiß
niemand, bis wann solch eine Unternehmung wieder möglich sein wird.
Ihr Lieben, erst jetzt habe ich euren letzten Bericht gelesen und so recht mit euch mitgezittert. Ihr habt das letzte Stück eurer Reise mit den vielen unerwarteten Hindenissen toll gemeistert. Und ihr hattet genau das richtige timing eure Traumreise noch zu Ende zu bringen. Wir haben in Kolumbien abbrechen müssen, es bleibt zu hoffen, dass es weiter geht. Herzlichst Ute
Gut zu wissen, dass Ihr wieder gut zu Hause angekommen seid.
Eure faszinierenden Reiseberichte waren uns stets ein Erlebnis. Vielen Dank dafür.
Hallo Monika, hallo Georg
Willkommen zu Hause! Kommt mal vorbei wenn Ihr auf dem Weg ins Allgäu seid (wenn das wieder legal möglich ist).
Schöne Grüße von Conny, Maik und Eric
Toll zu lesen, wir können das alles so prima nachvollziehen!
Ihr Lieben,
wie toll dass Ihr diese Reise unternommen habt und wie glücklich, dass ihr wieder wohlbehalten zuhause seid!
Herzlicher Gruß
Brigitte
Wow! Wie ein Krimi!
Gottseidank seid ihr gesund wieder da!
Vielen Dank, dass ihr uns an Eurer Reise habt teilhaben lassen.
Hoffentlich bis bald!